Engpass bei Versorgung mit der PrEP
Immer mehr PrEP-User haben aktuell Probleme in der Apotheke ihr Medikament zur HIV-Prophylaxe zu erhalten. Die Deutsche Aidshilfe forschte nach, woran es liegt.
Ein Beitag der Kolleg*innen von aidshilfe.de. Aktualisiert: L. Taubert
Noch am 13.12.2023 hatten Pharmafirmen und andere Akteure versichert, die Versorgung mit dem HIV-Medikament Emtricitabin plus Tenofovir sei stabil (auf aidshilfe.de hatten wir in diesem Sinn berichtet).
Die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG), die Vertretung ambulant tätiger HIV-Mediziner*innen (dagnä) und die Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) hingegen hatten bereits Ende November von massiven Lieferproblemen gesprochen.
Viele Apotheken können keine PrEP-Medikamente im Großhandel nachbestellen
Recherchen der Deutschen Aidshilfe (DAH) bei zahlreichen HIV-Schwerpunktapotheken sowie Schwerpunktärzt*innen zeigen nun, dass viele Apotheken derzeit keine Medikamente mit der Wirkstoffkombination Emtricitabin plus Tenofovir (FTC+TDF) nachbestellen können und nur noch ihre Bestände abgeben. Wie lange diese ausreichen, ist je nach Apotheke verschieden: Einige haben bereits keine Lagerbestände mehr, andere gehen davon aus, dass sie länger mit den Medikamenten hinkommen.
Die Gründe für den Engpass sind offenbar vielschichtig. So haben zum Beispiel zwei Fabriken nach unseren Informationen Produktionsprobleme, außerdem scheint es einzelne Schwierigkeiten in der Lieferkette und eine verstärkte Nachfrage zu geben. Auch Preisunterschiede auf dem europäischen Arzneimittelmarkt dürften eine Rolle spielen: Hersteller bekommen in vielen Nachbarländern offenbar mehr Geld für ihre Medikamente als in Deutschland.
Wann das Medikament wieder bestellbar sein wird, lässt sich derzeit nicht genau sagen. Ein großer Hersteller hat zwar für Anfang Februar eine neue Lieferung angekündigt, doch kann sie voraussichtlich nicht den gesamten Bedarf abdecken.
Bundesinstitut kontaktiert Herstellerfirmen
In seiner Antwort an die Deutsche Aidshilfe vom 22.12.2023 bestätigt das Bundesinstiut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm), dass es einen Lieferengpass gäbe, der „aufgrund des hohen betroffenen Marktanteils und der fehlenden therapeutischen Alternativen für Teilindikationen“ als kritisch eingeschätzt wird. Es handele sich nach derzeitiger Datenlage „um eine den Bedarf nicht kontinuierlich deckende Verfügbarkeit“, die Bestände und Produktionsmargen der lieferfähigen Hersteller reichen für einen umfassenden Ausgleich des Ausfalls nicht aus. Das BfArm kontaktierte die Hersteller der PrEP-Medikamente, um herauszubekommen, wie deren Produktions- und Lieferfähigkeit ist. Nach derzeitigem Kenntnisstand sei Gilead, der Hersteller des (teuren) Originalpräparats Truvadas®, lieferfähig. Ein Import weiterer Ware wäre zudem über die USA möglich. Das BfArM hat auf Anregung der Deutschen Aidshilfe zugesagt, man werde Ende Januar über die Wiederaufnahme der Kombination FTC+TDF in die Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe beraten.
Was tun, wenn man kein PrEP-Medikament bekommt?
Probleme sind bisher nur bei der PrEP-Versorgung gemeldet worden, nicht bei der HIV-Therapie. Wer Schwierigkeiten hat, das Medikament zu bekommen, sollte sich an ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) oder eine Online-Apotheke wenden. Die Inhaltsstoffe und damit auch die Wirkung der verschiedenen Generika sind gleich.
Jetzt nur noch anlassbezogen „preppen“?
Für einige Anwender*innen der täglichen Dauer-PrEP kann es eine Option sein – zumindest vorübergehend -, auf die sogenannte anlassbezogene PrEP umzusteigen, bei der man lediglich vor und nach (geplantem) Sex das PrEP-Medikament einnimmt. Gute Evidenz für die Wirksamkeit der anwendungsbezogenen PrEP („PrEP on demand“) gibt es allerdings bisher nur bezogen auf Analverkehr. (Nähere Informationen dazu finden sich unter aidshilfe.de/hiv-prep/einnahmeschema). Zudem sollten Menschen prüfen, ob sie, z.B. bei häufigen Sexualkontakten, durch das mehrfache Starten und Beenden der PrEP noch den Überblick behalten. Wenn die Therapietreue gut ist, kann die anlassbezogene PrEP jedoch eine gute Möglichkeit darstellen, einen Schutz vor einer HIV-Übertragung herzustellen und den Verbrauch von Medikamenten zu senken. Möglichweise schafft dies auch einen Vorteil hinsichtlich unerwünschter Langzeitwirkungen.
Was kann die Community tun?
Viele Menschen haben eventuell noch PrEP-Medikamente in der Schublade, die sie nicht mehr benötigen. Wenn es in den nächsten Wochen richtig eng werden sollte, könnte die Weitergabe von nicht verwendeten Medikamenten eine Lösung sein. Darüberhinaus gilt es natürlich, eine politische Lösung zu finden. Die Deutsche Aidshilfe schlägt die schnellstmögliche Einberufung eines Runden Tischs mit allen wesentlichen Akteur*innen vor, um Lösungsmöglichkeiten zu besprechen.
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