Prävention von Geschlechtskrankheiten durch Antibiotika

Als „Doxy-PEP“ oder „Doxy-PrEP“ wird die vorbeugende Einnahme des Antibiotikums „Doxycyclin“ bezeichnet. Diese soll bestimmte Geschlechtskrankheiten verhindern.
 
Wir fassen zusammen, was Beratende in Aidshilfe zu dieser Präventionsstrategie wissen sollten.

In den letzten Jahren wird vermehrt über die vorbeugende Einnahme von Antibiotika gegen Geschlechtskrankheiten berichtet. Diese prophylaktische Einnahme wird oft als Doxy-PrEP (bei täglicher vorbeugender Einnahme) bzw. Doxy-PEP (bei Einnahme kurz nach dem Sex) bezeichnet. Die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) veröffentlichte Mitte 2023 eine Stellungnahme dazu und verwendet den Oberbegriff der „antibiotischen STI-Prophylaxe“.

Durch die HIV-PrEP haben viele Menschen erfahren, wie Sexualität sein kann, wenn die Sorge vor einer HIV-Infektion keine Rolle mehr spielt. Allerdings kann eine HIV-PrEP natürlich nicht vor der Übertragung anderer Geschlechtskrankheiten schützen. So liegt die Frage nah, ob zur Verhinderung von Geschlechtskrankheiten nicht auch eine medikamentöse Strategie genutzt werden kann. Tatsächlich gibt es Antibiotika, die, prophylaktisch eingenommen, einen gewissen Schutz bieten. Um den Nutzen, aber auch mögliche Risiken zu bewerten, braucht es jedoch einen differenzierten Blick auf diese Präventionsstrategie.

Zum Einnahmeschema

In den Studien zum Nutzen der antibiotischen STI-Prophylaxe wurden zwei Szenarien untersucht. Zum einen wurde die tägliche Einnahme von 100mg Doxycyclin über einen längeren Zeitraum (Doxy-PrEP oder auch Doxycyclin-Präexpositionsprophylaxe) untersucht, zum anderen die einmalige Einnahme von 200mg Doxycyclin möglichst innert 24 Stunden (und maximal bis zu 72 Stunden) nach dem Sex (Doxy-PEP oder auch Doxycyclin-Postexpositionsprophylaxe). Die Stellungnahme der DSTIG bezieht sich bei Doxy-PEP nur noch auf die Einnahme von bis zu 24 Stunden nach dem Sex, sodass es für Anwender*innen ggf. sinnvoll erscheint, dieses etwas kürzere Zeitfenster zu berücksichtigen (in der jüngsten Studie von Molina et al., siehe unten, lag die durchschnittliche Zeit zwischen Sex und Einnahme der Doxy-PEP bei 15h, 95%-Konfidenzintervall: 5–30h).

Zur Wirksamkeit

Die wenigen bisher vorliegenden Studien zeigen: Die Doxy-PEP/PrEP kann tatsächlich relativ gut (wenn auch nicht zu 100%) Infektionen mit Syphilis oder Chlamydien verhindern. Bei Tripper (Gonorrhö) allerdings sieht es anders aus, da bei Gonokokken seit vielen Jahren Resistenzen gegenüber Doxycyclin bestehen, in Europa mehr als in Nordamerika. In Deutschland sind aktuell unter 10% der Gonokokken (Erreger der Gonorrhö) empfindlich für Doxycyclin. Entsprechend ist auch keine Schutzwirkung gegen Gonorrhö zu erwarten. Doxycyclin ist auch nicht wirksam gegen Herpes, Feigwarzen, Mpox…

Wichtig zu wissen: Die Wirksamkeit der antibiotischen STI-Prophylaxe gegen Syphilis und Chlamydien ist durch Studien mit schwulen bzw. bisexuellen Männern sowie wenigen trans Frauen belegt, die mit HIV leben oder PrEP nutzen. Sie wurden in diesem Rahmen alle drei Monate auf diese Erreger getestet. Für cis Frauen konnte in der einzigen existierenden Studie keine entsprechende Wirkung gezeigt werden. Für alle anderen Gruppen (cis und trans Männer, die keinen Sex mit Männern haben, cis und trans MSM ohne HIV, bzw. cis und trans MSM die keine HIV-PrEP einnehmen) gibt es noch keine Studien. Aufgrund der deutlich niedrigeren Infektionsraten mit Chlamydien bzw. insbesondere mit Syphilis bräuchte es hierfür Studien mit sehr hohen Fallzahlen, um signifikante Reduktionen der Infektionshäufigkeit nachweisen zu können.

Zu den Nebenwirkungen

Dem Nutzen der antibiotischen STI-Prophylaxe stehen Nebenwirkungen und mögliche Langzeitschäden gegenüber. Häufige Nebenwirkungen von Doxycyclin sind allergische Reaktionen mit Ausschlag und Blutdruckabfall, Lichtempfindlichkeitsreaktionen (Hautrötung und Blasenbildung wie bei einem Sonnenbrand), Übelkeit, Erbrechen, Blähungen und Durchfall. Gelegentlich entstehen Blutgerinnungsstörungen, Entzündungen der Mund-, Rachen- und Magenschleimhaut sowie Blut im Urin. Jedes Antibiotikum stört zudem das natürliche Mikrobiom des Körpers. (Eine Auflistung aller möglicher Nebenwirkungen findet sich z.B. in der Gelben Liste.)

Hinweis für die Anwendung: Einige Präparate können die Schleimhaut der Speiseröhre schädigen, wenn sie in der Speiseröhre hängen bleiben. Daher ist es wichtig, zur Tabletteneinnahme reichlich zu trinken (aber keine Getränke, die mit Kalzium angereichert sind) und sich direkt nach der Einnahme nicht hinzulegen. Für den Magen ist die Einnahme verträglicher, wenn man dazu auch eine Kleinigkeit isst. Alkohol reduziert die Wirksamkeit von Doxycyclin.

Die wichtigsten Kontraindikationen für Doxycyclin sind Schwangerschaft und Stillen. Doxycyclin interagiert mit einer Reihe von Medikamenten — Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten gegen Akne, von Herz- und Asthmamitteln, Gerinnungshemmern, Cholesterinsenkern oder Medikamenten gegen Sodbrennen, anderen Antibiotika, Schlafmitteln, Medikamenten gegen Epilepsie oder Migräne, Mitteln gegen Diabetes. Im Zweifelsfall vorab mit einer ärztlichen Fachperson besprechen

Zum Risiko der Resistenzentwicklung

Eine Befürchtung von Fachleuten ist, dass eine vermehrte prophylaktische Einnahme von Doxycyclin die Entwicklung von Resistenzen fördert. Dies zeigte sich ansatzweise bereits in den Wirksamkeitsstudien. Bei Menschen, die Doxycyclin regelmäßig einnehmen, werden andere Keime langfristig schlechter behandelbar, außerdem steigt das Risiko von Pilzinfektionen, vor allem bei Menschen mit Vagina. Vermehrte Antibiotikaeinnahme auf Bevölkerungsebene hat immer auch Auswirkungen bei Personen, die selbst keine oder wenig Antibiotika nehmen, da Resistenzen von bakteriellen Erregern weitergegeben werden können. Bakterielle Infektionserkrankungen, inklusive Geschlechtskrankheiten, könnten zukünftig immer schwerer behandelbar werden.

Hinzu kommt das Risiko unentdeckter Syphilis-Infektionen, wenn Menschen sich trotz der antibiotischen STI-Prophylaxe infizieren, aber nicht mehr testen lassen, weil sie sich in falscher Sicherheit wiegen. Wer eine Doxy-PEP nimmt, um das Risiko einer Syphilis-Infektion zu senken, sollte sich also regelmäßig testen lassen – schwule/bisexuelle Männer und trans Frauen alle 6 Monate.

Verfügbarkeit in Deutschland

Doxycyclin ist in Deutschland ein verschreibungspflichtiges Medikament. Es ist zugelassen für die Behandlung verschiedener Infektionskrankheiten. Dazu zählen u.a. Infektionen im Magen-Darm-Trakt, Harnwegsinfekte, Atemwegsinfektionen, Infektionen der Haut, Borreliose sowie weiterer spezifischer Infektionserkrankungen. In einigen Ländern (nicht in Deutschland) ist das Medikament zudem zur Prophylaxe der Malaria zugelassen.

Für die antibiotische STI-Prophylaxe gibt es keine offizielle Zulassung, sodass das Medikament von Ärzt*innen in diesem Kontext nur im Rahmen eines off-label-Gebrauchs verschrieben werden kann. In der Regel wird die Doxy-PEP über ein Privatrezept verordnet. Dann betragen die Kosten für eine 200mg-Dosis zur Postexpositionsprophylaxe etwa 1,20 Euro (über einschlägige Internet-Suchmaschinen sind auch Preise von um die 60 Cent erzielbar). Wenn keine 200mg-Tabletten in der Apotheke verfügbar sind, können stattdessen auch Packungen mit 100mg-Tabletten gekauft werden – dann müssen entsprechend zwei Tabletten gleichzeitig innerhalb des Zeitfensters von 24h eingenommen werden, um auf die 200mg-Dosis zu kommen.

Empfehlungen für die Beratung

Epidemiologisch betrachtet macht eine antibiotische Prophylaxe von Syphilis und Chlamydien wahrscheinlich nur für wenige sexuell aktive Menschen Sinn, nämlich solche, die sich in sexuellen Netzwerken bewegen, in denen Syphilis häufig übertragen wird. Die Menge der einzunehmenden Antibiotika steht, vor allem bei sehr häufigen Einnahmen über Wochen und Monate, meist in keinem sinnvollen Verhältnis zum Risiko einer in der Regel harmlosen und asymptomatischen (Chlamydien) bzw. einer potenziell gefährlichen, aber gut behandelbaren Infektion (Syphilis). Die DSTIG spricht sich deshalb in ihrer Stellungnahme auch gegen die täglich-kontinuierliche präventive Einnahme von Doxycyclin („Doxy-PrEP“) als Form der antibiotischen STI-Prophylaxe aus. Weiter benennt sie als notwendige Kriterien einer ärztlichen Verschreibung die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, für die eine Wirksamkeit in Studien auch nachgewiesen werden konnte, d.h. Männer oder trans Frauen, die Sex mit Männern haben und entweder mit HIV leben oder eine HIV-PrEP einnehmen.

Gleichwohl kann es für Einzelne nachvollziehbare Gründe geben, sich für eine antibiotische STI-Prophylaxe („Doxy-PEP“) zu interessieren. Wir nennen einige Beispiele aus der Beratungspraxis:

  • eine Person möchte ihre*n feste*n Partner*in schützen, wenn ein offenes Gespräch über Außenbeziehungen nicht möglich erscheint;
  • eine Person steht vor einer Reise in ein Land, in dem Diagnostik und/oder Behandlung von Geschlechtskrankheiten schwierig sind bzw. ein stigmatisierender Umgang mit schwulen/queeren Menschen zu erwarten ist;
  • eine Person hat allgemein sehr ausgeprägte Ängste vor einer Geschlechtskrankheit. (Allerdings: Wiederholtes sicherheitssuchendes Verhalten, z.B. durch Tests oder ggf. auch Doxy-PEP, bestärkt Ängste auf Dauer eher, als dass es sie abbaut. Für die Beratung gelten hier die Grundzüge zum Umgang mit ängstlichen Klient*innen, siehe „HIV-bezogene Krankheitsängste. Empfehlungen für die Beratung“ [DAH 2023]).

Der individuelle Nutzen einer prophylaktischen Antibiotikaeinnahme ist vor allem davon abhängig, wie wahrscheinlich eine Ansteckung mit Syphilis- bzw. einer symptomatischen Chlamydieninfektion ist. Der Kontext, in dem Sex stattfindet (z.B. Chemsex), die Anzahl und das Geschlecht der Sexualpartner*innen sowie die sexuellen Praktiken können eine Orientierung bieten, vor allem aber die Betroffenheit von Syphilis und symptomatischen Chlamydien-Infektionen in der Vergangenheit.

Für die Nutzenabwägung gilt stets zu überlegen, ob Abwarten und ggf. Behandeln (dann, wenn auch tatsächlich eine Infektion vorliegt) nicht die bessere Option sind.

Nicht verwechseln: Bei der Doxy-PEP geht es nicht um die prophylaktische Behandlung nach sexuellem Kontakt zu Personen mit diagnostisch gesicherter Syphilis oder anderer STI (sogenannte Partner*innen-Behandlung), sondern ausschließlich um den präventiven Einsatz von Doxycyclin bei Personen mit hohem Expositionsrisiko gegenüber Syphilis/Chlamydien. Auch die Partner*innen-Behandlung wird manchmal als „Postexpositionsprophylaxe“ bezeichnet, weshalb beides häufig verwechselt wird. Nach sexuellem Kontakt mit Personen mit diagnostisch gesicherter Syphilis oder anderer STI werden aber andere Antibiotika gegeben und/oder Doxycyclin über einen längeren Zeitraum – eine einmalige Einnahme von 200mg Doxycyclin ist in diesem Fall nicht wirksam.

Beratung und Testung sind wichtig

Wir empfehlen, eine Entscheidung für die antibiotische Prophylaxe von Syphilis und Chlamydien immer nach einer Beratung und gemeinsam mit kompetenten Ärzt*innen(z.B. in HIV-Schwerpunktpraxen) zu fällen.

Wer die antibiotische Prophylaxe nutzt, sollte sich unbedingt weiterhin regelmäßig auf Syphilis untersuchen lassen, da eine Doxy-PEP keine vollständige Sicherheit bietet. Eine nicht entdeckte Syphilis kann schwerwiegende Folgen haben. 

Von anderen Antibiotika oder anderen Dosierungs-Schemata als den hier besprochenen ist dringend abzuraten – die meisten Antibiotika sind gegenüber Syphilis und Chlamydien wirkungslos.

Quellen:

  • Molina J-M, et al.: Doxycycline prophylaxis and meningococcal group B vaccine to prevent bacterial sexually transmitted infections in France (ANRS 174 DOXYVAC): a multicentre, open-label, randomised trial with a 2 × 2 factorial design. Lancet Infect Dis 2024; Published online May 23
  • Werner RN, Schmidt AJ, Potthoff A, Spornraft-Ragaller P, Brockmeyer NH; für die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG). Stellungnahme der Deutschen STI-Gesellschaft zur antibiotischen STI-Prophylaxe mit Doxycyclin (Doxy-PEP, Doxy-PrEP). JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 2024; 22: 466–480. https://doi.org/10.1111/ddg.15282_g (entspricht der oben verlinkten Stellungnahme der Deutschen STI-Gesellschaft, mit Aktualisierungen; auch eine Version in englischer Sprache ist verfügbar: https://doi.org/10.1111/ddg.15282)