Vorstellung der „Kontaktstelle mit Drogenkonsumraum SKA“

Natascha Jaeger privat

In Berlin-Kreuzberg, in einem Wohngebiet zwischen dem Kottbusser Tor und dem Görlitzer Park, liegt die Kontaktstelle mit Drogenkonsumraum SKA. Von montags bis freitags können Besucher*innen  hier intravenös, inhalativ oder nasal Opiate, Kokain, Amphetamin und deren Derivate konsumieren. Gleichzeitig werden Ausstiegs- und Überlebenshilfen sowie die Ausgabe von Safer-Use-Konsumartikeln angeboten.

Natascha Jaeger, Diplom-Sozialarbeiterin und sozialarbeiterische Leitung der Einrichtung, stellt uns die Kontaktstelle vor.

Räumlich ist die SKA in einen Kontaktbereich mit Café- und Vergabetresen für Safer-Use-Artikel sowie ein kleines Beratungsbüro und einen medizinischen Bereich aufgeteilt. Über ein paar Treppenstufen gelangt man vom Kontaktbereich zu den Räumen für intravenösen und inhalativen Konsum. Dort befindet sich auch ein Raum für die ärztliche Sprechstunde sowie eine Dusche, die von den Besucher*innen genutzt werden kann. 

Der Träger: Fixpunkt gGmbH

Seit fast 20 Jahren führt die Fixpunkt gGmbH (Tochtergesellschaft des Fixpunkt e.V.) aufsuchende und niedrigschwellige gesundheitsfördernde bzw. schadensmindernde Projekte mit gemeinwesenbezogenem Ansatz im öffentlichen Raum und in sozialen Brennpunkten durch. Zentrale Themen in der Arbeit der Fixpunkt gGmbH sind der Infektionsschutz (HIV, Virushepatitiden, TBC), die Drogennotfall- und -todesfallprophylaxe, die Bewältigung von Drogen- und Suchtproblemen sowie die Schaffung einer sinngebenden Beschäftigung und Tagesstruktur (www.fixpunktggmbh.org).

Die Fixpunkt gGmbH betreibt drei Kontaktstellen mit Drogenkonsumraum in Berlin: die SKA, die Kontaktstelle Kotti in Kreuzberg und die Kontaktstelle Druckausgleich in Neukölln. In Neukölln leistet zudem ein Streetwork-Team aufsuchende soziale Arbeit im öffentlichen Raum; in Kreuzberg ist das ESF-geförderte Beschäftigungsprojekt „Kotti-Kompass“ ansässig.

Rechtliches

Grundlage unserer Arbeit sind §10a BtMG Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen sowie die Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Berlin vom 10. Dezember 2002. Gemäß Verordnung muss der Drogenkonsumraum der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Drogenabhängige dienen. Der Betrieb des Drogenkonsumraums (DKR) muss darauf ausgerichtet sein, die durch Drogenkonsum bedingten Gesundheitsgefahren zu senken, um damit insbesondere das Überleben der Abhängigen zu sichern. Gleichzeitig soll die Behandlungsbereitschaft der Nutzer*innen geweckt und dadurch der Ausstieg aus der Sucht eingeleitet werden. Ein beratender und helfender Kontakt soll vor allem mit solchen Personen aufgenommen werden, die für Drogenhilfemaßnahmen nur schwer erreichbar sind – um sie in weiterführende und ausstiegsorientierte Angebote der Beratung und Therapie vermitteln zu können. Nicht zuletzt sollen die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen reduziert werden. Finanziert wird die Arbeit der SKA durch die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.

Die Struktur der SKA

Die Hauptaufgabe der SKA besteht im begleiteten Konsum mit dem Ziel der Drogennotfall- und Todesfallprophylaxe sowie der Ausgabe von Safer-Use-Konsummaterialien zur Vermeidung von HIV- und Hepatitis-Infektionen. Überlebenspraktische Hilfen – wie die Essensausgabe, die Möglichkeit zum Wäschewaschen, eine medizinische Sprechstunde für Nichtversicherte und Duschen – ergänzen das Angebot der SKA. Laut Verordnung müssen Sozialpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen oder Personen mit gleichwertiger Qualifikation vor Ort über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus weiterführende und ausstiegsorientierte Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen aufzeigen und auf Wunsch Kontakte zu geeigneten Einrichtungen vermitteln können. 

Natascha Jaeger privat
Natascha Jaeger, Diplom-Sozialarbeiterin und sozialarbeiterische Leitung der Kontaktstelle mit Drogenkonsumraum SKA

Die SKA wird von einem interdisziplinären Team aus Sozialarbeit, Pflege, Medizin und Hauswirtschaft betrieben. Die Leitung besteht aus einem Tandem aus Pflege und Sozialarbeit. Um möglichst umfassende niedrigschwellige Hilfen in der SKA anbieten zu können, wird unsere Arbeit durch Beratungsangebote von kooperierenden Trägern ergänzt. Zweimal wöchentlich bietet eine Mitarbeiterin der Suchtberatung Misfit der vista gGmbH eine Sprechzeit an, in der sich Besucher*innen bezüglich Ausstiegshilfen informieren und niedrigschwellig an die Suchthilfe andocken können. Ebenfalls zweimal wöchentlich bietet ein Sozialarbeiter der Diakonie im Rahmen des Projektes EhAP+ eine Beratung für Wohnungslose an. Einmal in der Woche haben die Besucher*innen die Möglichkeit, eine für sie kostenlose Rechtsberatung in der SKA zu nutzen.

Eine dem Team angegliederte Ärztin hält wöchentlich Sprechzeiten für nichtversicherte Personen ab. Besucher*innen können regelmäßig am vom Pflegeteam angebotenen Naloxon-Training zur Vermeidung tödlicher Opiat-Überdosierungen teilnehmen. Im Anschluss daran können sie sich Naloxon verschreiben lassen. Die Kosten dafür übernimmt die Fixpunkt gGmbH.

Die Maxime der Arbeit in der SKA sind Niedrigschwelligkeit und suchtbegleitende Unterstützung. Die Arbeit orientiert sich an den Grundsätzen akzeptierender Drogenarbeit mit den Schwerpunkten Harm Reduction und interkulturelle Arbeit. Die in der SKA arbeitenden Sozialarbeiter*innen leisten niedrigschwellige Beratungs- und Beziehungsarbeit. Durch Kontakt- und Beratungsgespräche versuchen wir, die Veränderungsmotivation der Besucher*innen zu fördern und unterstützen sie bei der Bewältigung ihrer lebenspraktischen Anforderungen. Wir begleiten sie bei psychosozialen oder gesundheitlichen Krisen, versuchen zu intervenieren und zu stabilisieren und bieten akzeptierende Begleitung. Häufig formulieren Klient*innen den Wunsch nach Unterstützung bei der Kommunikation mit Ämtern, bei der Beantragung von Sozialleistungen oder bei der Suche nach einem Schlafplatz. Unsere sozialarbeiterische Unterstützung besteht in der Regel aus Kurzzeitinterventionen. Bei Bedarf findet eine Vermittlung an weiterführende Hilfsangebote statt.

Die Nutzer*innen

Zur Zielgruppe der SKA zählen Drogenkonsument*innen, die von anderen Einrichtungen der Drogenhilfe noch nicht oder nicht mehr erreicht werden. Dies sind vor allem psychosozial verelendete, langjährige Konsument*innen mit einem in der Regel polytoxikomanen Konsummuster, Menschen mit psychischen Auffälligkeiten sowie Personen mit infektiösen Krankheitsmustern (HIV, Hepatitis u.a.).

Die überwiegende Zahl der Nutzer*innen der SKA sind männlich, das Durchschnittsalter liegt bei 38 Jahren und älter (statistischer Wert), der Großteil von ihnen hat keinen Migrationshintergrund.

Die Arbeit im Konsumraum

Das in der SKA mittlerweile am häufigsten konsumierte Betäubungsmittel ist Crack, gefolgt von Heroin und Kokain. Die überwiegende Konsumform ist das Rauchen.

Gemäß der Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Berlin darf die Nutzung nur Personen gestattet werden, die aufgrund bestehender Betäubungsmittelabhängigkeit einen Konsumentschluss gefasst haben. Jugendlichen unter 16 Jahren ist der Zutritt nicht gestattet. Wenn die Einwilligung der Erziehungsberechtigten oder des zuständigen Jugendamtes vorliegt, ist Jugendlichen ab 16 Jahren die Nutzung des Konsumraumes möglich. Seit Januar 2021 dürfen auch Menschen, die sich in einer substitutionsgestützten Behandlung befinden, die Konsumräume nutzen. Zuvor waren sie von der Nutzung ausgeschlossen.

Natascha Jaeger privat
iv Raum

Vor der erstmaligen Nutzung des Konsumraums muss ein Vertrag abgeschlossen werden, mit dem die Besucher*innen die Konsumraum- und Hausregeln akzeptieren. Dazu gehören u.a. das Verbot des Teilens oder Verkaufens von Drogen innerhalb und im Umfeld der Einrichtung sowie die Androhung und Ausübung von Gewalt jeglicher Art.

Während des Injektionsvorganges muss eine ständige Sichtkontrolle durch in der Notfallversorgung geschultes Personal gewährleistet werden, damit im Notfall sofortige Beatmungs- und Reanimationsmaßnahmen durchgeführt werden können. In den Konsumräumen der Fixpunkt gGmbH  begleitet das medizinisch geschulte Personal die Konsument*innen beim intravenösen Konsum direkt im Konsumraum. Die dabei entstehende Intimität und Nähe kann gut für persönliche Gespräche und Beratungen zum Konsum, v.a. bezüglich der Infektionsrisiken und der Gefährlichkeit der verwendeten Betäubungsmittel, genutzt werden. Bei sozialen Problemen kann direkt an das Sozialarbeitsteam vermittelt werden.

Da die Kolleg*innen nicht beim inhalativen Konsum anwesend sein können, ohne sich selbst dem Rauch auszusetzen, findet der Kontakt zum Rauchraum durch ein Sichtfenster statt. Die sich beim begleiteten Konsum häufig entwickelnden Gespräche können hier leider nicht stattfinden. Perspektivisch wäre es wünschenswert, durch eine entsprechende Lüftung die Möglichkeit zu schaffen, auch den inhalativen Konsum persönlich zu begleiten. Dadurch könnten vor allem Crack-Konsument*innen besser erreicht werden, die häufig von Suchtdruck getrieben sind und wenig Zeit für Gespräche haben.

Zwei fiktive Fallbeispiele

Pepe (43) ist seit vielen Jahren Nutzer der SKA. Bis vor zwei Jahren konsumierte er hauptsächlich Heroin intravenös. Pepe nutzte das sozialarbeiterische Beratungsangebot und konnte über die Sprechstunde der Suchtberatung in der SKA die Aufnahme in ein Substitutionsprogramm schaffen. Nach einiger Zeit begann er aber, Kokain intravenös zu konsumieren und musste das Substitutionsprogramm verlassen. Anfang dieses Jahres fing er an, Kokain zu Crack aufzukochen und dieses zu rauchen. Seitdem hat sich sein Allgemeinzustand stark verschlechtert. Pepe schafft es kaum noch, sich um seine Belange (wie etwa einen Platz im Wohnheim) zu kümmern und baut körperlich ab. Die psychischen Auswirkungen seines Crack-Konsums sind Getriebenheit, eine gesteigerte Ungeduld und Aggressivität. Pepe leidet phasenweise unter paranoidem psychotischem Erleben. Häufig fühlt er sich verfolgt und beobachtet, was ihm Angst macht. Pepe kommt häufig in die SKA, nutzt den Konsumraum und holt sich neues Konsummaterial ab. Weil er zumeist schnell wieder geht, um Geld zu machen, damit er seinen Konsum finanzieren kann, ist er für uns Sozialarbeiter*innen nur schwer erreichbar. Für Menschen in Pepes Lebenslage sind Kontaktstellen mit Drogenkonsumraum wichtige Anlaufpunkte, die einen Anknüpfungspunkt ans Hilfesystem darstellen und einen niedrigschwelligen Einstieg in die Suchthilfe bieten können.

Ein zweites Fallbeispiel ist Maria (26). Sie lebt in einer eigenen Wohnung. Maria konsumiert Heroin intravenös und besucht unsere Einrichtung hauptsächlich, um Kontakt zu halten und sich Safer-Use-Artikel für den Konsum zuhause abzuholen. Bei Bedarf nimmt sie die Sozialberatung in Anspruch. Den Konsumraum nutzt sie selten, weil sie sich als Frau* unwohl fühlt, wenn Männer neben ihr konsumieren. Im Bereich der Konsumräume mangelt es berlinweit leider immer noch an einem frauen*spezifischen Angebot.

Herausforderungen für die Zukunft

Weil der Crack-Konsum in der SKA mittlerweile die häufigste Konsumart darstellt, stehen wir vor der Schwierigkeit, dass wir Besucher*innen sozialarbeiterisch gerne unterstützen und ihnen Hilfe anbieten wollen, wir sie teilweise aber nur schwer erreichen. Die Gründe dafür liegen u.a. in deren schlechter psychischer Verfassung und ihrer Getriebenheit bzw. Rastlosigkeit. Problematisch sind auch die Aggressionen, die vermehrt von den Crack-Konsument*innen ausgehen. In der SKA arbeiten wir an Konzepten und Angeboten, um diese Menschen besser erreichen zu können und gleichzeitig sichere Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden zu schaffen.

Es ist davon auszugehen, dass viele Frauen* sich nicht dem Stress der männlich dominierten Szene aussetzen wollen und daher niedrigschwellige Hilfsangebote wie die SKA nur relativ selten nutzen. Daher wäre ein Angebot speziell für Frauen* sinnvoll und wünschenswert, in dem diese einen temporären Schutzraum finden und sämtliche Angebote – wie den Konsumraum, die Beratung durch das medizinische Personal, die Sozialberatung und die Dusche – nutzen könnten, ohne der Ansprache oder Anwesenheit von männlichen Nutzern ausgesetzt zu sein. Allgemein arbeiten wir stetig daran, das Angebot der SKA an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen und entwickeln uns inhaltlich weiter.

Die Erschöpfung und Frustration der Bevölkerung bekommen unsere Besucher*innen häufig ungefiltert zu spüren und sie tragen diese Erlebnisse mit in die Kontaktstelle. Manche Tage sind frustrierend oder von (latenter) Aggression geprägt. Umso schöner ist es, wenn Besucher*innen im Hinausgehen ein „Danke und toll, dass es euch gibt!“ in den Raum rufen, bevor sie wieder auf der Straße verschwinden.

Natascha Jaeger

Weitere Informationen