Mitarbeit in Aidshilfe: Persönlichkeiten stärken und Wissen vermitteln
Wer sich für eine ehrenamtliche oder hauptamtliche Mitarbeit in einer der vielen Aidshilfen entscheidet, hat nicht nur jede Menge Spaß, sondern wird auch sehr gut auf diese Aufgabe vorbereitet. Fünf Seminare sorgen für das notwendige Fachwissen und fördern die Vernetzung.
Von Jörn Valldorf
„Es ist uns wichtig, die zukünftigen Kolleg*innen so gut wie möglich auf ihre Aufgaben vorzubereiten“, sagt Leon Steffen Taubert von der Deutschen Aidshilfe Berlin. Insgesamt fünf verschiedene Seminare können alle, die sich bei einer Aids-Hilfe engagieren wollen, besuchen. Und wer sich für eine Mitarbeitet entscheidet, braucht kein besonderes Vorwissen oder andere formale Anforderungen zu erfüllen. Lediglich eine Offenheit rund um die Themen HIV, Sexualität und den Spaß an der Begegnung mit ganz unterschiedlichen Menschen ist gefragt. Den Rest lernen die Interessent*innen in den Seminaren.
So ging es auch Frede Krischan Macioszek. Seit mehr als einem halben Jahr arbeitet Frede in der AIDS-Hilfe Potsdam im Bereich MSM, Männer, die Sex mit Männern haben mit. „Die Idee mich hier zu engagieren, kam mir aufgrund meiner Mitarbeit im Schwulen Museum in Berlin. Hier gab es immer wieder Berührungspunkte zu den Themen HIV und Aids“.
Frede lebt offen als trans. Auch das war ein Punkt sich in einer Aidshilfe zu engagieren. „Ich finde die Gesundheitsvorsorge für trans Menschen ist nach wie vor mangelhaft. Gerade auch was die Beratung zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen Krankheiten angeht“, sagt Frede.
Der Sozialpädagoge Vincent Steinkemper ist einer von zehn Trainer*innen im Team und seit 2010 mit Leidenschaft dabei. Der 50-jährige Sozialarbeiter war und ist in unterschiedlichen Bereichen seit 1998 für Aids-Hilfen aktiv. Er hat die Neuausrichtung der Fortbildungen maßgeblich mit entwickelt. „Ich mache das jetzt seit zwölf Jahren und im Laufe der Zeit hat sich vieles geändert“, erklärt er. „Es war dringend notwendig – gerade in den Beratungsmodulen – die Inhalte zu überarbeiten und anzupassen“.
Auch das Thema gendersensible Sprache wurde ergänzt. Ebenso die besonderen Bedürfnisse von trans, inter und nichtbinären Menschen aufgenommen. Dazu kamen neue Botschaften bei der Prävention. „Als ich angefangen habe, waren die PrEP oder die Botschaft N=N (nicht nachweisbar = nicht übertragbar) noch gar kein Thema“, erinnert er sich.
Eine besondere Herausforderung war die Zeit, in der aufgrund der Corona-Pandemie keine Fortbildungen in Präsenz möglich waren. Damit die Interessent*innen aber nicht auf die Schulungen verzichten mussten, wurden diese kurzerhand so konzipiert, dass sie auch online funktionieren.
Vermittelt wird den Teilnehmer*innen Wissen über die Strukturen. „Es ist wichtig zu verstehen, welche Haltung wir haben, welche Werte uns wichtig sind und wie wir uns im Laufe der Zeit entwickelt haben“, sagt Vincent. Bei der Wertevermittlung legen er und seine Kolleg*innen ganz viel Wert auf die Akzeptanz von Lebensweisen. Dazu zählt für ihn, die Menschen so anzunehmen wie sind und nicht zu bewerten, wie sie ihre Sexualität leben oder ob sie Drogen konsumieren. Eben ganz so, wie es bei den Aids-Hilfen schon immer üblich war und ist. Außerdem liegt ein Schwerpunkt auf der Sprache: wie wird über Sexualität generell gesprochen und wie gelingt ein möglichst wertschätzender und diskriminierungsfreier Sprachgebrauch.
Erste medizinische Grundlagen stehen genauso auf dem Programm wie die wichtigsten Botschaften rund um SaferSex 3.0. „Wichtig ist natürlich auch, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was für mich ganz persönlich und für jede*n Einzelne*n HIV und Aids bedeutet“, betont Vincent. „Dafür gibt es genügend Raum“.
Niemand muss befürchten, dass das eine trockene Angelegenheit wird. Es werden viele Methoden der modernen Erwachsenbildung eingesetzt. Dazu kommt die Arbeit und der Austausch in Kleingruppen. Außerdem bleibt viel Zeit fürs Kennenlernen und Vernetzen.
Hierbei wird nicht nur das medizinische Wissen vertieft, sondern auch ganz unterschiedliche Beratungssituationen in Rollenspielen geübt. Angefangen von der Präventionsberatung bis hin zur Testberatung erfahren die Teilnehmer*innen alles, was sie später in Beratungssituationen beherrschen müssen. Egal ob im persönlichen Kontakt, am Telefon oder im Chat. All diese Stationen werden durch intensive Übungsphasen begleitet.
Bei der Präventionsberatung geht es darum, mit den Klient*innen die jeweils passende Methode für einen individuellen Schutz beim Sex herauszufinden. Egal ob Kondom, PrEP oder Schutz durch Therapie: wichtig ist, es muss für den Menschen und die Situation passen.
Bei der Testberatung geht es darum herauszufinden, welche Untersuchungen nach einer heißen Nacht, die eventuell nicht ohne Folgen geblieben ist, wichtig sind. Das muss nicht immer ein HIV-Test sein. Sich auf Tripper, Syphilis oder Hepatitis C testen zu lassen, kann je nach Risiko sinnvoll sein. Auf diesen Beratungssituationen liegt ein besonderer Schwerpunkt. „Sexuell übertragbare Krankheiten sind oft sehr schambehaftet“, weiß Vincent aus Erfahrung.
„Dabei gehören sie dazu und haben nichts mit Schuld oder Moral zu tun. Gerade deswegen ist bei diesen Gesprächen eine besondere Sensibilität erforderlich“. Gleichzeitig wird dieses Gespräch aber auch dazu genutzt, um Präventionsbotschaften zu vermitteln; aber immer als Empfehlung und nicht als Vorwurf!
Heikel wird es, wenn die Berater*innen den Klient*innen mitteilen müssen, dass der HIV-Test positiv ausgefallen ist. Hier zeigt sich sehr gut, wie die gesamten Module ineinandergreifen. „Im Grundlagenteil haben wir gemeinsam darüber nachgedacht, was HIV für mich bedeutet und haben viel über das Leben mit HIV heute gelernt. In den Beratungsmodulen haben wir dieses Wissen vertieft, Gesprächsführung gelernt und so können die Berater*innen auch diese schwierige Situation gut auffangen“, so Vincent.
Dies alles kann auch Frede bestätigen. „Für mich war neben dem Zuwachs von Fachwissen und der Frage wie ich das in Gesprächen gut vermitteln kann, der Austausch und das Netzwerken mit den anderen Teilnehmer*innen bereichernd“.
Ein Wunsch bleibt jedoch offen. „Ich hätte mir gewünscht noch mehr darüber zu erfahren, wie Intergeschlechtlichkeit in der HIV- und STI- Beratung mitgedacht werden kann. Aber das ist dann auch schon der einzige Kritikpunkt, den ich habe“, sagt Frede. „Ich gehe gestärkt aus diesen Seminaren“.
Die neuen Termine für die Grundlagenausbildung 2024 sind in unserem Flyer ersichtlich, die Anmeldung zu den Seminaren wird in Kürze veröffentlicht. Der Flyer kann hier abgerufen und heruntergeladen werden.
Jörn Valldorf
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