Zum Mpox-Talk vor Ort: Ein Bericht über die Inhouse-Veranstaltungen zu „Affenpocken“

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© DAH | Bild: Urs Gamsavar

Zwischen dem 17. Dezember 2022 und dem 28. April 2023 hat die Deutsche Aidshilfe (DAH) mit Unterstützung der BARMER Krankenkasse insgesamt elf Fortbildungsveranstaltungen insbesondere für schwule und bisexuelle Männer zu Mpox („Affenpocken“) durchgeführt.

Als die Schulungen im Dezember 2022 starten konnten, hatte sich die bundesweite Aufregung um die „neue Seuche“ bereits etwas gelegt, die Impfungen hatten erste Teile der hauptsächlich betroffenen Gruppe erreicht und im öffentlichen Bewusstsein war überhaupt mit dem beginnenden Ende der Corona-Pandemie ein wenig Ruhe eingekehrt in der Beschäftigung mit Infektionsrisiken.

Doch wie erging es denjenigen, die in erster Linie (wieder) in den Fokus eines Übertragungsgeschehens rückten? Und an was ist für die Zukunft zu denken?

Bernd Vielhaber, Medizinjournalist, Trainer der Medizinischen Rundreise der DAH und Trainer der Mpox-Talks, berichtet hier von den Schulungen und Gesprächen vor Ort und gibt aus seinen Erfahrungen heraus eine Einschätzung für die Zukunft.

Ausgangspunkt für die als Selbsthilfe-Schulung geplanten Abende war die Erfahrung zu Beginn des „Mpox-Runs“, dass (schon) wieder ein neues Virus vielen Menschen Angst machte – auch Angst vor erneuter Stigmatisierung. Es verbreitete sich zuerst in der Szene von Männern, die Sex mit Männern haben, und schnell wurden alte Bilder – und auch Traumata – reaktiviert. Dieser Dynamik sollte mit kürzeren Aufklärungs-Einheiten begegnet werden, die auch Raum geben sollten, etwaige Sorgen zu thematisieren.

In 3- bis 4-stündigen Veranstaltungen, die Mitgliedsorganisationen und andere Beratungseinrichtungen für ihre Region buchen konnten, waren die Teilnehmenden nach einem fachlichen Input dazu eingeladen, sich mit eigenen Fragen an einer gemeinsamen Diskussion zu beteiligen. So reisten Moderation und Trainer nach Schwäbisch-Gmünd, Potsdam, Magdeburg, Nürnberg, Mannheim, Essen, Goslar, Weimar, Ulm, München und Langenargen. Insgesamt nahmen 108 Personen (69 Männer, 27 Frauen, 9 Personen mit der Angabe divers und 3 Personen ohne Angabe) im Alter von 20 bis 73 Jahren (Median 43 Jahre) an den Talks teil.

Das methodisch/didaktische Konzept orientierte sich (wie die Medizinische Rundreise) strikt an den Bedarfen und Bedürfnissen der Teilnehmenden. So wurde sichergestellt, dass für die jeweiligen Lebensrealitäten relevante (und angepasste) Informationen vermittelt werden – und zwar ausschließlich analog mit Flipchart: je nach Fragestellung. So individuell das Konzept ist, so zeigt sich andererseits das grundlegende Problem: ab einer bestimmten Spreizung der Bedarfe sind diese nicht mehr zufriedenstellend unter einen Hut zu bekommen. Je inhomogener die Gruppe in ihrer Bedürfnislage und je weniger zulassend sie mit den Bedürfnissen anderer Teilnehmenden umgeht, desto unterschiedlicher fällt die Zufriedenheit mit dem Diskussionsverlauf aus.

Und die Bandbreite der gestellten Fragen schien enorm. Hier eine Zusammenfassung:

  • Wo kommt das Virus her? Sind Affen wirklich das hauptsächliche Tierreservoir, wie der Name „Affenpocken“ andeutet? Wie häufig ist es aktuell?
  • Wie genau wird das Virus übertragen?
  • Warum sind fast ausschließlich schwule Männer betroffen? Wie hoch sind die Übertragungswahrscheinlichkeiten, wie viel Intimität ist für eine Übertragung nötig?
  • Wie häufig ist es aktuell?
  • Wie werden Mpox diagnostiziert, welche Erkrankungen haben ähnliche Symptome?
  • Wie lange dauert es, bis Symptome auftreten? Mit wie vielen „Pocken“ muss ich bei einer Ansteckung rechnen, wie heilen die „Pocken“ ab, bleiben Narben zurück? Was kann ich im Falle einer Erkrankung tun, um weniger Schmerzen zu haben?
  • Bei wem sind schwere Verläufe/Komplikationen wahrscheinlich?
  • Welchen Einfluss auf den Verlauf hat eine HIV-Infektion?
  • Welche antiviralen Therapiemöglichkeiten gibt es bei Mpox?
  • Warum ordnen manche Gesundheitsämter eine häusliche Isolation an?
  • Was kann ich im Falle einer Erkrankung tun, um weniger Schmerzen zu haben?
  • Wie kann ich mich vor Mpox schützen? Warum ist der Zugang zu Impfungen bundesweit so unterschiedlich und wo bekomme ich eine Impfung?
  • Welchen Stellenwert hat die alte Pockenimpfung aus den 1960er/-70er Jahren?
  • Was tun bei Impfstoffknappheit?

Die Fragen nach Übertragungswegen und Übertragungswahrscheinlichkeiten hat die Teilnehmenden am intensivsten bewegt. Hier ging es in erster Linie um medizinische Wissensvermittlung: eine direkte und klare Erläuterung des aktuellen Standes, aber auch die Entlarvung von Falschinformationen und die „Klärung von Mythen“ wurden als wichtig erlebt.

Daneben standen sehr deutlich praktische Hinweise zur Sekundärprophylaxe im Fokus: Was sind die lebenspraktischen Probleme, die auftreten, etwa, wenn ich „Pocken“ oder Läsionen im Analbereich oder in der Mundhöhle habe? Gerade Tipps zur Wundheilung wurden in den Rückmeldungen als ausgesprochen hilfreich bewertet.

Insgesamt verliefen die Veranstaltungen sehr lebendig und es wurde viel (auch untereinander) diskutiert und gefragt. Häufiger gab es Wortmeldungen wie: „Wenn ich das mal früher gewusst hätte, hätte ich einer bepockten Person im nahen Umfeld/einem Beratungsklienten/einem entfernten Bekannten … viel besser helfen können!

Etwas widerständiger verlief der Lernprozess bei der Frage nach Primär- bzw. Expositionsprophylaxe. Hier ließ sich der Knoten durch die Analogie der Botschaften zur Hepatitis-B lösen: Bloß nicht darüber nachdenken, wie ich mich vor einer Ansteckung schützen kann – das geht eh nicht (bei HBV, weil es hochinfektiös ist, bei Mpox, weil unklar, wie genau es übertragen wird). ABER: Impfen schützt und ist die einzige sinnvolle Option. Also ab zum Impfen!

Insgesamt war (wie vielerorts) eine erhebliche Pandemiemüdigkeit festzustellen. Das ist nach drei Jahren SARS-CoV-2 und angesichts des eklatanten Kommunikationsdesasters der Politik und leider auch vieler Medien völlig verständlich. Unglücklicherweise sind bei Mpox ähnliche Fehler gemacht worden, was zu einem blitzartigen Verdrängen oder Abspalten des Themas für die eigene Person geführt hat. Durch die recht flott brechende Mpox-Infektionswelle (und die Konzentration der Infektion auf Berlin und wenige andere Metropolregionen) verschwand Mpox schnell und schmerzlos aus der Wahrnehmung.

Die Mpox-Pandemie wurde auf den Veranstaltungen daher nicht als bedrohlich wahrgenommen und die Frage „Noch ‘ne Seuche?“ eher schulterzuckend und entspannt gesehen.

Wir sollten uns allerdings nicht einlullen und glauben, es sei vorbei. Die WHO hat Mpox nicht umsonst bislang nicht heruntergestuft. Die CDC haben kürzlich eine Projektion veröffentlicht, wie – unter Berücksichtigung der Impfquoten und der Immunität nach durchgemachter Infektion – sie die nächste Welle erwarten.

Wir werden Mpox so schnell nicht wieder los. Aidshilfe ist also klug beraten, Mpox in die Beratungskonzepte zu integrieren. Genauso selbstverständlich, wie nach dem HBV-(Impf-)Status gefragt wird, sollte auch nach dem Mpox-(Impf-)Status gefragt werden und gegebenenfalls an eine impfende Stelle weiterverwiesen werden.

Gleichermaßen scheint es notwendig, „altes“ – nicht mehr verwendetes – Wissen der Aidshilfen über Wundversorgung und Schmerztherapie, Po-Pflege und Ausscheidungen aus den Zeiten des großen Sterbens in den 1980er und 1990er Jahren zu reaktivieren.

Es gibt keinen Grund für Angst oder gar Panik – überhaupt nicht. Auch, weil die Mpox-Infektion verhältnismäßig undramatisch verläuft. Aber im 2022er Ausbruch verlief in Deutschland bei jedem 16. der Bepockten die Infektion so kompliziert (Schmerzen, Ess- und Schluckbeschwerden, bakterielle Superinfektionen), dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Da vorher nicht bekannt ist, wie eine Infektion verlaufen wird, scheint die Impfung doch die sinnvollste Option zu sein.

Bernd Vielhaber

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