„Mach den Chemsex-Check!“

DAH I Axel Schock

Ein spielerischer Flyer des Checkpoint BLN hilft Chemsex-User den eigenen Substanzkonsum und dessen Auswirkungen zu reflektieren.

Mehr Selbstsicherheit, intensivere Gefühle, von Hemmungen und Scham befreite Sexualität sind einige der Wirkungen, weshalb psychoaktive Substanzen wie GHB/GBL, Ketamin oder Crystal Meth von MSM regelmäßig beim Sex konsumiert werden.

Doch der Gebrauch birgt auch Risiken für Körper und Psyche etwa durch Überdosierungen, Kontrollverlust und Sucht. Oftmals werden die schleichenden Auswirkungen und Veränderungen auf den Alltag und das eigene Sozial- und Sexualverhalten für die Konsument*innen jedoch nicht wahrgenommen oder verdrängt.

Christopher Clay vom Checkpoint BLN hat daher ein Tool entwickelt, das Chemsex-User*innen anregen soll, den sexualisierten Substanzkonsum zu reflektieren, eigene Grenzen zu ziehen – und bei Bedarf Gesprächsangebote anzunehmen.

Inspiriert durch das Faltblatt eines Berliner Partykollektivs zu Schadensminimierung hat Clay gemeinsam mit Chemsex-Praktizierenden einen Flyer entwickelt, der einlädt, spielerisch einen persönlichen „Chemsex-Check“ zu machen.

Bei der Vor-Ort-Arbeit in der Partyszene seien Chemsex-User* oft nur schwer erreichbar, erläutert Clay. Daher wurde der Flyer gezielt für den Einsatz im Warteraum des Checkpoint BLN konzipiert.

Dort, so die Idee, werden Chemsex-User*, die beispielsweise für eine PrEP oder einen STI-Test in den Checkpoint gekommen sind, zufällig und beiläufig auf den Flyer aufmerksam. Sie können sich damit die Wartezeit vertreiben oder ihn mit nach Hause nehmen. 

Der Chemsex-Check funktioniert gewissermaßen wie ein Bingo-Spiel. 64 Aussagen in quadratischen Kästchen sind in acht Reihen angeordnet und sollen, wenn sie auf den eignen Substanzkonsum zutreffen, mit einem Stift eingekreist werden. Die so gelisteten positiven wie negativen Effekte und Risiken reichen von „Erlebe Gemeinschaft“ über „Vergesse ab und zu PrEP/ART“ bis „Job/Ausbildung verloren“ und „Selbstmordgedanken“.

Im zweiten Schritt zieht man unter jenen Aussagen eine Line, die man zukünftig nicht überschreiten möchte. Oberhalb dieser Linie liegen solche Wirkungen und Risiken, die als ok eingestuft werden (etwa „Konsum bleibt konstant“, „öfters bakterielle STIs“). Unterhalb der Linie stehen dann solche, die man vermeiden möchte (beispielsweise „Lege nach bis alles weg ist“, „Fehlzeiten/Probleme im Job bzw. Ausbildung“ oder „Manchmal Paranoia/Halluzinationen“).

Die Anordnung der Aussagen ist nicht zufällig, sondern lässt an ein Koordinatensystem denken. Positive Aspekte finden sich weiter oben, negative unten. Langfristige Auswirkungen des Konsums sind wie auf einer Zeitachse sortiert.

„Der Flyer selbst trifft allerdings keine Aussage dazu, ab wann der Konsum unproblematisch ist“, betont Christopher Clay. „Uns war wichtig zu zeigen, dass wir Verständnis haben für diese Lebenswelt und wir den Konsum nicht durchweg problematisieren und pathologisieren, sondern die positiven Aspekte des Konsums anerkennen.“ Zugleich signalisiert der Flyer, dass bei Bedarf die Berater*innen im Checkpoint offen für ein urteilsfreies Gespräch über Chemsex sind.

Produziert wurde der Flyer in einer deutschen und englischsprachigen Version. Die Auflage mit rund 1000 Exemplaren ist mittlerweile annähernd vergriffen. Für den Nachdruck soll er nun zusätzlich auf Spanisch übersetzt, aber auch weiterentwickelt und etwa an einigen Formulierungen noch etwas gefeilt werden. 

Wie viele Menschen sich explizit aufgrund des Flyers um ein Gespräch bemüht haben, lässt sich leider nicht sagen. Einige Klient*innen des Checkpoint BLN haben ihn allerdings bei Beratungen tatsächlich auch erwähnt. Für Christopher Clay ist dies auch nicht der primäre Zweck des Chemsex-Checks. Möglicherweise ist das Ergebnis dieses „Selbsttests“ ja auch, dass der Substanzkonsum nach eigener Einschätzung unter Kontrolle und die Balance aus positiven und negativen Effekten ausgeglichen ist, also gar kein Gesprächsbedarf besteht.

Auf dem Flyer ist zwar eigens ein QR-Code abgedruckt, mit dem man auf einen Online-Fragebogen gelangt, doch genutzt wurde diese Möglichkeit bislang kaum. „Ohne direkte Aufforderungen, so Clays Erfahrung, machen sich die wenigsten diese Mühe.

Eine Evaluation ist daher bislang nur bedingt möglich. In den wenigen bisher eingegangenen Rückmeldungen über das digitale Bewertungsformular erhielt der Chemsex-Check allerdings durchweg gute Noten. Nutzende bezeichneten ihn beispielsweise als „gutes Tool zur Einschätzung des eigenen Chemsex-Verhaltens“ oder als „sehr hilfreich und eine gute Stütze. Sollte man mit Datum versehen und öfter im Jahr machen.“

Inzwischen wurde der Chemsex-Check bereits bei verschiedenen Konferenzen und Institutionen vorgestellt und ist dort auf großes Interesse gestoßen, beispielsweise bei Treffen der Checkpoints in Berlin.

So kommt der Flyer inzwischen bei verschiedenen Berliner Initiativen, u.a. bei SONAR –Safer Nightlife Berlin, dem Drogennotdienst und manCheck, wie auch in einer Berliner HIV-Schwerpunktpraxis zum Einsatz. Auch international ist man auf den Chemsex-Check aufmerksam geworden. So hat die schwedische LGBTIQ-Organisation RFSL den Flyer adaptiert.

Sollte er auch von Organisationen und Einrichtungen in Deutschland nachgefragt werden, wäre eine generische Version des Flyers sinnvoll, sodass jeweils das eigene Logo und die individuellen Kontaktdaten der jeweiligen Teststellen, Initiativen und Beratungseinrichtungen bzw. auch Hinweise auf örtliche Suchtgruppen eingefügt werden könnten. Der Checkpoint BLN würde dafür die geeignete Vorlage zur Verfügung stellen, die Umsetzung allerdings müsste von einer anderen Seite, etwa der Deutschen Aidshilfe, organisiert werden.

Axel Schock

Der Chemsex-Check des Checkpoint BLN

Weitere Infos zum Chemsex-Check findest du auf der Webpage des Checkpoint BLN.

Den Check steht in 3 Sprachen zur Verfügung und kann dirket beim Checkpoint BLN oder nachstehend heruntergeladen werden:

Chemsex-Check (deutsch)

Chemsex-Check (english)

Chemsex-Check (schwedisch)