„Ein Abend mit besonderer Atmosphäre“

Checkpoint Berlin/ Illustration:Rory Midhani

Testberatung für trans*, inter* und non-binäre Menschen

Seit gut zwei Jahren gibt es im Berliner Checkpoint (https://checkpoint-bln.de) einen speziellen Beratungstermin für trans*, inter* und non-binäre Menschen. Der Münchner Checkpoint folgte wenige Monate später mit einem vergleichbaren Angebot. Wir fragten bei den Kolleg*innen nach, welche Erfahrungen sie mit diesem Angebot gemacht haben und welche Tipps sie anderen Aidshilfen geben.

„Ja, auf jeden Fall weitermachen“, antwortet Jacques Kohl, psychosoziale Leitung des Checkpoint BLN, auf die Frage, ob der „TIN-Day“ fortgeführt werden soll. Das Kürzel TIN bezieht sich auf trans*, inter* und non-binäre Menschen. Seit Anfang letzten Jahres veranstaltet der Checkpoint BLN am letzten Samstag im Monat einen dreistündigen Test-Nachmittag exklusiv für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen. (https://checkpoint-bln.de/trans-inter-nonbinary)

Das Erfreuliche: Bisher schlecht erreichte Personengruppen finden nun erstmals einen Weg in die Testberatung des Checkpoints. „73% der Besucher*innen waren das erste Mal zu einem Test im Checkpoint“, sagt Jacques Kohl. Neben dem Testangebot geht es den Berliner Checkpoint-Mitarbeiter*innen auch darum, mehr Wissen über aktuelle Methoden der Prävention zu vermitteln, wie etwa über die PrEP.

„33% der Besucher*innen geben an, bisher auf die PrEP zu verzichten, da sie zu wenig Informationen darüber haben, um gut einschätzen zu können, ob die PrEP die ihnen entsprechende Safer-Sex-Strategie ist. 12% wussten nicht, was die PrEP ist“, sagt Harald Klant. Harald ist Berater im Checkpoint BLN und hat den TIN-Day mit aufgebaut. Er ist regelmäßig beim TIN-Day vor Ort und erlebt, dass es seitens der Ratsuchenden zum Thema PrEP viele Fragen gibt. „Nicht wenige Besucher*innen haben Bedenken bezüglich der PrEP; weil sie zum Beispiel annehmen, dass die PrEP bei gleichzeitiger Hormontherapie Probleme bereiten oder bei trans* Männern mit Vagina nicht wirken könnte“, sagt Harald.

Peer-to-Peer-Beratung erleichtert den Zugang

Von ähnlichen Erfahrungen aus der Beratung berichtet auch Quentin Rothammer, der im Checkpoint München (https://www.checkpoint-muenchen.de/) ein vergleichbares Projekt mit aufgebaut hat. Er arbeitet jedoch nicht nur im Checkpoint, sondern ist gleichzeitig auch für die in der Münchner Aidshilfe angesiedelte Trans*Inter*Beratungsstelle (https://www.trans-inter-beratungsstelle.de/de/) tätig. Dies, sagt Quentin, erleichtere den ersten Kontakt enorm – vor allem für jene, die negative Vorerfahrungen mit HIV-Teststellen mitbrächten. So erleben Klient*innen zum Beispiel immer wieder, dass Berater*innen oder Ärzt*innen bei einer geplanten Abstrichuntersuchung auf Genitalien bezugnehmen, die sie nur vermuten, wobei sich diese Vermutungen dann aber als unpassend erweisen. „Manchmal“, sagt Quentin, „fällt es den Berater*innen auch sehr schwer, von ihrer ursprünglichen Vorstellung zum Geschlecht der ratsuchenden Person abzurücken und sie verfallen dann ins missgendern“. In solchen Fällen machen Ratsuchende zu, können verständlicherweise kaum mehr offen über Fragen der sexuellen Gesundheit sprechen.

Als die Aidshilfe München mit dem CheckpoinT*I*N“ (https://www.trans-inter-beratungsstelle.de/de/CheckpoinT-I-N.html) im letzten Jahr ein spezifisches Testangebot für trans*, inter* und non-binäre Menschen startete, war schnell klar, dass das Angebot zwar sinnvoll, ein monatlicher TIN-Day aber nicht leistbar ist. „Aber mindestens alle drei Monate sollte er stattfinden, damit auch ein PrEP-Check für TIN-Menschen möglich ist“, sagt Quentin.

In München findet das Angebot CheckpoinT*I*N nun tatsächlich einmal im Quartal für 2 1/2 Stunden statt. 66% der Besucher*innen hatten noch nie einen Test oder er lag mehr als fünf Jahre zurück“, sagt Quentin. „Oft ist es ein altes Gefühl, ein Test wäre wohl sinnvoll. Bisher hatten sich viele aber noch nicht getraut, den Test zu machen.“

TIN-Testberatung baut auch Brücke für andere, eher psychosoziale Themen

Mitunter bringen Menschen in den Gesprächen der TIN-Testberatung auch andere Fragen mit, z.B. zur Transition. Da Quentin sowohl im Münchner Checkpoint als auch in der Münchner T*I*B tätig ist, bringt er eine besondere Expertise mit. Aber auch er merkt, dass die Testberatung häufig an ihre Grenzen stößt – zum Beispiel dann, wenn Menschen im Aufnahmebogen angeben, Opfer von sexualisierter Gewalt zu sein. Dies, so Quentin, käme gar nicht selten vor. Er verweist dann, neben der T*I*B, auf andere spezialisierte Beratungseinrichtungen, in denen eine vertiefende Beratung möglich ist. Die Testberatung im Checkpoint kann aber eine erste, wichtige Brücke darstellen, etwas anzusprechen, das bisher schambesetzt war und deshalb nie nach außen getragen wurde. Dies gelte auch für das Thema Sexualität. Gerade bei jüngeren trans* Menschen, weiß Quentin, gebe es nicht selten große Verunsicherungen bezüglich der möglichen HIV/STI-Infektionsrisiken und des Lebens ihrer Sexualität.

Die Testberater*innen des Berliner Checkpoints verweisen in solchen Fällen an Kolleg*innen der Berliner „inter* trans* Beratung“ (ITB) von queerleben und der Schwulenberatung Berlin (https://schwulenberatungberlin.de/angebote/queer-leben). An den TIN-Days sind Mitarbeiter*innen dieser spezifischen Beratungseinrichtung vor Ort – so, dass im günstigsten Falle gleich eine Anschlussberatung stattfinden kann.

Klient*innen zufrieden mit dem neuen Angebot

Bernd Müller/Münchner Aids-Hilfe
Quentin Rothammer, CheckpoinT*I*N, München

„Am Ende sagen die Menschen sehr oft, wie glücklich sie sind, dass es dieses Angebot gibt“, berichtet Quentin. Harald und Jacques aus Berlin bestätigen das. „Der Start des TIN-Days fiel bei uns in eine schwierige Zeit, da das Angebot inmitten der Corona-Pandemie begann. Trotzdem wurde das Angebot gut angenommen und mit Auslaufen der Pandemie nehmen die Besucherzahlen 2022 weiter zu“, sagt Jacques.

Tipps für Aidshilfen, die ein TIN-Angebot aufbauen wollen

Der Berliner Checkpoint startete zuerst mit Fortbildungen für die Berater*innen und erstellte einen thematischen Reader für deren beraterische Arbeit. Die Fortbildung der Mitarbeiter*innen war unabhängig vom TIN-Day-Angebot wichtig, da einzelne trans*, inter* und non-binäre Menschen schon mit Projektstart auch zu den regulären Öffnungszeiten das Angebot des Berliner Checkpoints nutzten. Allerdings schien es immer auch TIN-Menschen zu geben, für die das reguläre Angebot nicht inklusiv genug war.

Extra für den TIN-Day wurde dann noch ein gesonderter Fragebogen entwickelt, der – anders als der bundesweit von vielen Checkpoints verwendete Fragebogen – mehr Möglichkeiten für die Angabe der geschlechtlichen Identität abdeckt. In diesem Zusammenhang wurde auch der bisherige Ablauf im Checkpoint hinsichtlich der TIN-Inklusivität auf den Prüfstand gestellt. Um den Ablauf des Testabends zu beschreiben, haben die Berliner Checkpoint-Mitarbeiter*innen zudem ein Video produziert, in dem trans* Menschen erklären, wie der Test abläuft. Das Video findet sich auf der Webseite des Projekts und auf Facebook: https://www.facebook.com/watch/?v=173148277726590

Um den TIN-Day bekannt zu machen, luden die Berliner Checkpoint-Kolleg*innen zu Beginn auch TIN-Künstler*innen ein, ihre Werke auszustellen. Die Ausstellung zeigt den Besuchern, dass sich der Checkpoint mit trans*-Themen beschäftigt und dass Offenheit sowie Akzeptanz vorhanden sind. „Die ersten Abende hatten schon fast so einen Event-Charakter“, sagt Harald. „Und auch heute,“ fügt er hinzu, „haben die TIN-Days stets eine wirklich besondere Atmosphäre. Damit es so weit kommen konnte, war viel Werbung nötig.“

Dies bestätigt auch Quentin Rothammer aus München. Viele trans* und non-binäre Menschen sind nicht auf denselben Webseiten unterwegs wie beispielsweise schwule cis-Männer. „Die normale Checkpoint-Werbung über Social Media erreicht die Leute nicht. Wir mussten die Menschen direkter ansprechen.“ Quentin empfiehlt Aidshilfen, die ein ähnliches Projekt aufbauen wollen, Kontakt zu Selbsthilfegruppen und trans*-Aktivist*innen vor Ort aufzunehmen.

Zusammenfassung

Auch wenn die Angebote in Berlin und München unterschiedlich aufgebaut sind, so zeigen sie doch beide, dass es sinnvoll ist, über spezifische Angebote für trans*, inter* und non-binäre Menschen nachzudenken. Der Peer-to-Peer-Ansatz erleichtert insbesondere Testkund*innen und Ratsuchenden mit negativen Erfahrungen im Gesundheitsbereich einen besseren Zugang zum Testangebot der Aidshilfe. Wo eine Peer-to-Peer-Beratung nicht möglich ist, sollten Berater*innen in gendersensibler Testberatung geschult und eine Vernetzung mit regionalen Trans*/Inter*-Beratungsstellen hergestellt werden.

Steffen Taubert