Gendersensible Sprache – ein neues Workshop-Angebot der DAH

Schlagwörter Sprache E-Learning Gender

„Sprache ist für mich das wichtigste Werkzeug in meiner Arbeit in der Aidshilfe Halle und als Sexualpädagogin. Sie kann Menschen einschließen, aber auch abschrecken, das erlebe ich immer wieder.

Zum Beispiel bewirkte die Nachfrage nach den Pronomen (ob eine Person für sich „sie/ihr“, „er/ihn“ oder eine andere Variante bevorzugt, wenn über diese Person gesprochen wird) in einer Stunde für eine von der Lehrerin als „Mädchengrupppe“ angekündigten Gruppe, dass die Stimmung direkt eine andere war, schließlich hat sich auch eine gerade im Outing-Prozess befundene Mitschüler*in gesehen gefühlt. Die Atmosphäre war sehr vertrauensvoll und ausgelassen und es war spürbar, dass alle Jugendlichen ihre Fragen offen stellen konnten.

Aber auch Ängste und Vorurteile sind mir nicht unbekannt – in einem bestimmten Kontext nicht die vermeintlich richtigen Formulierungen zu wählen und Menschen zu verletzen. Einen Raum zu finden, in dem ich Ausprobieren kann und meine Fragen stellen darf, war daher unglaublich wichtig für mich. Ich habe diesen Raum in meinem Studium gefunden und mit Luca Siemens eine Person, mit der ich all meine Fragen und Unsicherheiten diskutieren konnte. Diese Erfahrung wollten wir auch für andere Aids- und Selbsthilfemitarbeiter*innen erlebbar machen und haben ein Konzept für die Auseinandersetzung mit Aspekten der gendersensiblen Sprache entwickelt und bieten Seminare an.

Seit letztem Jahr gibt es nun rund-um-die Uhr zugänglichen Workshop zum Thema: das E-Learning-Modul „Gendersensible Sprache in der Aids- und Selbsthilfe“. Es bietet die Option, selbstbestimmt und unabhängig den eigenen „Werkzeugkoffer Sprache“ zu pflegen. Das E-Learning ist dabei als Einstieg gedacht. Von Luca und mir – zwei Mitarbeitenden aus regionalen Aidshilfen, die Erfahrung in der Prävention und Beratung haben – konzipiert, richtet es sich an Aids- und Selbsthilfemitarbeiter*innen sowie an Menschen, die in Beratung und Prävention tätig sind.

Im Workshop findest du eine Mischung aus Faktenvermittlung, Praxisteil und Möglichkeiten zur Selbstreflexion. Bei den Fakten wird der Fokus auf der einen Seite auf die Vermittlung von Basiswissen zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt gelegt – zum Beispiel sind dann Begriffe wie Trans*- und Cisgeschlechtlichkeit oder die sogenannte Genderbreadperson keine Unbekannten mehr.

Auf der anderen Seite blicken wir genauer auf die Wirkmechanismen und die Macht von Sprache. Dazu gehört auch, den Blick auf die eigene professionelle Haltung sowie die eigene sexuelle und geschlechtliche Sozialisation zu lenken. Denn nur wenn wir innehalten und uns reflektieren, können wir auch Änderungen im Alltag anstoßen. Um genauer in die Praxis und nicht nur mit einem theoretischen Blick auf das Thema zu schauen, gibt es ein ausführliches Lernmodul für die verschiedenen Praxisbereiche. Auf der einen Seite schauen wir uns genauer an, welche Bilder und Assoziationen in Beratungskontexten eine Rolle spielen – denn: Ist es dir nicht auch schon einmal passiert, dass du direkt eine Geschichte zu einer Person im Kopf hattest und dann im Laufe der Beratung deine eigenen Vorannahmen und Vorurteile revidieren (und also deine Klischeekisten wieder schließen) musstest? Hier wollen wir so eine Situation durchdenken und gemeinsam Handlungsansätze finden.

Der zweite mögliche Praxisteil bezieht sich auf die Präventionsarbeit: Wann sprechen wir welche Gruppen an oder nicht; welche Rolle spielen Klischees in Veranstaltungen und in der Öffentlichkeitsarbeit; wo balancieren wir zwischen Thematisieren und Verschweigen? Dabei wollen wir nicht nur auf der abstrakten Ebene bleiben, sondern geben euch auch ganz konkrete Formulierungsvorschläge und viel Material an die Hand, um sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.

Gendersensibler zu agieren, erfordert nicht nur Wissenserwerb, sondern geht darüber hinaus. Wir müssen historisch und gesellschaftlich tief verankerte Sprach- und Denkgewohnheiten verlernen und uns gleichzeitig neue aneignen. Es geht nicht darum, immer die „richtige“ Sprache zu nutzen, sondern darum, sich auf den Weg zu machen und dazuzulernen. Dabei sind auch für mich Hinweise auf ungünstige Formulierungen viel mehr eine Bereicherung, um mich selbst zu hinterfragen und Neues auszuprobieren. Spaß und Neugier sind dabei hoffentlich deine Wegbegleiter.

Schließlich verbindet uns das Engagement für eine gerechtere Gesellschaft und der Kampf gegen Ausgrenzung. Lebensstilakzeptanz sowie das Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus gehören zu der DNA von Aids- und Selbsthilfemitarbeiter*innen. Ein bewusster Gebrauch von Sprache kann Diskriminierung abbauen und vermittelt Respekt und Wertschätzung“.

Ronja Abhalter