„Affenpocken“-Impfung: Sinnvoll, aber oft schwer zu bekommen

©miss_mafalda/stock.adobe.com

MPX („Affenpocken“) ist als sexuell übertragene Infektion bei uns heimisch geworden. Auch wenn derzeit nur wenige Infektionen gemeldet werden, sind Impfungen wichtig – aber häufig kaum erreichbar.

Die gute Nachricht: Die „Affenpocken“-Fallzahlen haben bundesweit in den letzten Wochen immer weiter abgenommen und sich auf einem niedrigen Level eingepegelt.

Gut 260.000 MPX-Impfdosen für Deutschland

Ebenfalls erfreulich: Laut Bundesgesundheitsministerium wurden Ende September und Anfang Oktober insgesamt rund 146.000 weitere Impfdosen nach Deutschland geliefert (nach einer ersten Lieferung von etwa 40.000 Dosen im Juni 2022). Bestellt wurden insgesamt 240.000 Impfstoffdosen, die restlichen Dosen sollen in den kommenden Wochen ausgeliefert werden. Hinzu kommen etwa 25.000 Dosen aus der europäischen Beschaffung.

Die Verteilung auf die Bundesländer basiere „vorwiegend auf dem Maß der Betroffenheit und der Aufnahmekapazität“, so das Bundesgesundheitsministerium. Einige hätten zugunsten stärker betroffener Bundesländer auf ihr Kontingent ganz oder teilweise verzichtet.

Der größte Anteil der bisherigen Lieferungen – gut 55.000 Dosen – ging nach Berlin, Hotspot des MPX-Ausbruchs, größere Anteile bekamen außerdem Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Für einen vollständigen und langanhaltenden Schutz sind in der Regel zwei Impfungen erforderlich. Aufgrund der Impfstoffknappheit hat das Robert-Koch-Institut aber empfohlen, zunächst alle verfügbaren Dosen für Erstimpfungen einzusetzen.

Impfstoff ist nicht in allen Bundesländern breit verfügbar

Während in Berlin offenbar immerhin die Verteilung an die offiziellen Impfstellen funktioniert hat, scheint dies in anderen Bundesländern nicht der Fall gewesen zu sein. Diesen Eindruck ergab zumindest eine – nicht repräsentative – bundesweite DAH-Umfrage bei Schwerpunktpraxen und Kliniken, die offiziell als MPX-Impfstellen gelistet sind. Ein niedersächsisches Universitätskrankenhaus etwa beklagt, dass man keine Zuteilung vom Land bzw. Bund erhalten habe und es auch keine Möglichkeit für die Klinikapotheke gebe, den Impfstoff direkt zu ordern.

STIKO-Empfehlungen werden nicht überall eingehalten

In der Praxis scheinen diese Indikationen allerdings nicht überall berücksichtigt zu werden. Die zuständige Amtsärztin in Halle/Saale etwa teilte mit, dass „laut Erlass-Lage des Landes Sachsen-Anhalt“ eine Impfung „nur für direkte Kontaktpersonen“ möglich sei, woraus sich schließen läßt, dass offenbar keine Schutzimpfungen erfolgen. 

MPX-Impfung: Kein Zugang für alle

Für Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel oder ohne deutschen Versicherungsschutz bestehen zusätzliche Hürden. Zwar ist der Impfstoff selbst kostenfrei, die Kosten für die Impfung müssen aber im Regelfall von den Krankenkassen übernommen werden. Nichtversicherte können alternativ einen (anonymen) Behandlungsschein vorlegen – oder sie müssen die Kosten selbst übernehmen.

Aus Niedersachsen aber hieß es: „Da das Kontingent sehr begrenzt ist, haben in Niedersachsen nur deutsche Staatsbürger Anspruch auf eine Impfung gegen Affenpocken. Ohne Papier bzw. Ausweisdokument kann diese daher nicht in Niedersachsen erfolgen.“ Bayern dagegen teilte mit, Impfungen seien ohne Vorlage einer Versichertenkarte möglich.

Auch aus Berlin hieß es, alle Interessierten könnten sich melden. De facto waren dort bisher vor allem Personen geimpft worden, die bereits bei den Impfstellen bekannt waren (z. B. als HIV-Patient*innen oder PrEP-Nutzer*innen).

Impfstellen: oft mühsam zu finden

Listen mit Impfstellen gibt es nur für wenige Bundesländer. Bayern verweist an die HIV-Schwerpunktpraxen. Niedersachsen hat nur den Gesundheitsämtern eine Übersicht über die impfenden Praxen zur Verfügung gestellt, damit diese die Kontaktpersonen schnell weiterleiten können. Wer sich eine Schutzimpfung holen will, kann sich an Hausärzt*innen wenden – diese erhalten dann bei der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes eine Liste der impfenden HIV-Praxen, die sie an ihre Patient*innen weiterleiten können. Ziel sei es, die Praxen zu entlasten.

Zudem haben einige Stellen, die bislang MPX-Impfungen durchführten, dieses Angebot eingestellt. Der organisatorische Aufwand sei zu groß, teilte zum Beispiel eine große Abteilung für Infektiologie an einem Berliner Krankenhaus mit.

Impfen: weiterhin sinnvoll für Männer, die Sex mit Männern haben

Dabei ist die Impfbereitschaft weiterhin hoch – und nur die wenigsten haben bereits die empfohlene zweite Dosis erhalten, mit der die Dauer des Impfschutzes verlängert werden kann. Das ist in Zeiten von Impfstoffknappheit eigentlich eine gute Nachricht, könnte es doch bedeuten, dass die Impfzentren sich dafür einsetzen, möglichst vielen schwulen Männern ein Impfangebot machen zu können. Leider wurde die letzte Lieferung im Oktober von den meisten Akteuren als „Ende des Impfstoffmangels“ interpretiert, so dass jetzt fast überall Personen ohne Pockenimpfung im Kindesalter die Zweitimpfung angeboten wird, in der Regel vier Wochen nach der Erstimpfung, denn das ist logistisch einfacher zu planen als bei größeren Impfabständen. Derzeit können wir aber nicht davon ausgehen, dass nach Aufbrauchen der jetzt gelieferten Bestände der Impfstoff weiterhin verfügbar sein wird. Denn ob die Bundesregierung weitere Impfstoffdosen bestellen wird, ist unklar. Man verfolge den Impfstoffbedarf sehr aufmerksam und beziehe dabei „unter anderem die epidemiologische Entwicklung, Ergebnisse aus dem Impfmonitoring und Erkenntnisse zur Impfbereitschaft ein“, so das Bundesgesundheitsministerium. De facto ist der Impfstoff aber nicht über Apotheken verfügbar und es sind keinerlei Bemühungen seitens der Bundesregierung erkennbar, diese Situation zu verändern. Wer sich jetzt nicht impfen lässt, hat also möglicherweise beim nächsten Ausbruch das Nachsehen.

Für sinnvoll hält die Deutsche Aidshilfe MPX-Impfungen für Männer, die Sex mit Männern haben, auf jeden Fall: „Wenn sich eine Krankheit durch Impfungen verhindern lässt, sollte die Impfung auch angeboten werden und leicht zugänglich sein. Das gilt für MPX genauso wie für etwa für HPV oder Hepatitis A und B“, sagt Dr. Axel Jeremias Schmidt, Referent für Medizin und Gesundheitspolitik der Deutschen Aidshilfe.

Er verweist außerdem darauf, dass Viren nicht an Grenzen haltmachten: „Während die Zahlen bei uns und in unseren Nachbarländern zurückgehen, ist das in vielen anderen Ländern nicht der Fall“, so Schmidt. „Und wenn irgendwo schwule Events und Partys stattfinden, kommen viele Männer von überall her zusammen, dann kann es schnell wieder zu Ausbrüchen kommen.“ Denn in der EU hat Deutschland vergleichsweise viel Impfstoff bestellt. In Spanien und Portugal ist der Mangel an Impfstoff erheblich grösser, leider auch die relative Fallzahl. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, wann es den nächsten MPX-Ausbruch in Deutschland geben wird.

Praxistipp

Bei allen Impfungen, die mehr als eine Dosis erfordern, muss der Hersteller Mindestabstände angeben, nach denen Folgeimpfungen frühestens verabreicht werden dürfen. Eine Unterschreitung des Mindestabstands verursacht zwar keinen Schaden, führt aber nicht zum gewünschten Effekt. Auch in Szenezeitschriften oder von Szeneärzt*innen wird nicht selten suggeriert, dass nach der ersten Pockenimpfung nur ein teilweiser Impfschutz bestehe. Übersehen wird hierbei häufig, dass die veröffentlichten Prozentangaben zum Grad des Schutzes Durchschnittswerte sind, die Stärke der Impfantwort individuell jedoch höchst unterschiedlich ausfällt. Wer mit seinem Impfzentrum absprechen kann, die Zweitimpfung statt nach vier z.B. erst sechs oder acht Wochen nach der Erstimpfung zu erhalten, verbessert seine Immunantwort.

Der Originaltext von Axel Schock wurde am 01.11.22 auf magazin.hiv erstveröffentlicht. Unser Medizinreferent Dr. Axel Jeremias Schmidt hat den Text für uns überarbeitet.

Recherche: Chris Gaa

Mehr zu MPX und Impfangeboten

Ein großes Dankeschön an Thomas Dörrer für die Suche von Impfangeboten in Sachsen Anhalt: Wir sagen es gerne weiter!

Hausärztliche Impfstellen für #affenpocken Impfungen in Sachsen Anhalt:

  • Dr. Vinzelberg (Stendal)
  • Dr. Lüke (Genthin)
  • Dr. Gloser (Quedlinburg)
  • Hausärzte in Zscherben (Halle/Saalekreis)
  • Dr. Blum (Weißenfels)

Die HIV-Zentren impfen natürlich auch.

Impfstellen in anderen Bundesländern und mehr Infos findet ihr hier.

MfG

Urs Gamsavar