Digitalisierung im Checkpoint Köln

Checkpoint Köln

Ein Interview mit dem Berater Christopher Tocha zum neuen Terminbuchungstool. Von Klaus Purkart

Lieber Christopher,

endlich ist es so weit: Die Terminbuchung beim Checkpoint Köln kann digital stattfinden. Wie lange habt ihr daran gearbeitet?

Tatsächlich haben wir uns schon eine ganze Weile vor der Pandemie mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. Anfang 2020 haben wir ein Tool zur digitalen Befundmitteilung getestet, das uns damals ein Mitarbeiter aus dem Ehrenamt programmierte. Mit dem ersten Lockdown entschieden wir uns zunächst, unseren Fokus auf ein anständiges Abstands- und Hygienekonzept zu richten und legten die weitere Planung auf Eis, bevor wir im Sommer auf das Sonderprogramm der Deutschen Wohlfahrtspflege NRW aufmerksam wurden. Die Ausschreibung ermutigte Organisationen in der Umsetzung digitaler Projekte und stellte die Bereitstellung der notwenigen finanziellen Mittel in Aussicht. Wir konzeptionierten daraufhin ein umfassendes System, das über das Abrufen von Ergebnissen hinausging und auch die Terminbuchung, das Ausfüllen des Anamnesebogens sowie weitere organisatorische Prozesse berücksichtigte. Etwa ein Jahr später lag uns der Bewilligungsbescheid vor und wir konnten mit der Umsetzung beginnen.

Angenommen, ich entdecke Anzeichen einer STI an mir und weiß nicht genau, ob es Tripper oder Chlamydien sind. Ich will zu euch in den Checkpoint kommen und gehe vorher auf eure Website. Was muss ich tun, um einen Termin zu bekommen?

Wer einen Termin vereinbaren möchte, findet auf unserer Website eine Kalenderansicht über die kommenden zwei Wochen. Mit wenigen Klicks kann ich hierüber ein Zeitfenster auswählen und buchen. Alternativ vergeben wir Termine per Telefon oder E-Mail und bieten auch die Möglichkeit an, ohne Reservierung zu uns zu kommen. 

Muss ich eine Klientenakte anlegen oder ein Profil?

Bei der Buchung bildet das System eine zufällige Kombination aus einem vierstelligen Code und einem achtstelligen Kennwort. Mit diesen Zugangsdaten erhalte ich Zugriff auf mein persönliches Profil, das für den weiteren Prozess immer wieder wichtig sein wird. 

Christopher Tocha

Was passiert dann?

Ich melde mich am Tag meines Termins vor Ort mit den Zugangsdaten an unserem Empfang. Nach einer kurzen Einweisung bitten wir dann alle Besucher*innen einen digitalen Fragebogen auszufüllen, der unter anderem die Grundlage für das Beratungsgespräch bildet. Das geht über das eigene Handy oder ein von uns gestelltes Tablet. Wem was dazwischen kommt, kann mit den Zugangsdaten die Reservierung stornieren, um sie für andere wieder buchbar zu machen.

Die Ergebnisse, die Klient*innen auf dem Bildschirm lesen, müssen ja irgendwie standardisiert sein. Wie habt ihr es geschafft, dass der Fragebogen alle möglichen Nachfragen und Eventualitäten abdecken kann? Gibt es dann überhaupt noch Raum für persönliche Nachfragen?

Der Fragebogen erfüllt vorrangig den Zweck, den Berater*innen eine schnelle Orientierungshilfe zu liefern und die Besucher*innen auf die sehr persönlichen Inhalte der Beratung vorzubereiten. Es geht weniger darum, ausschließlich auf Basis der gemachten Angaben eine Testempfehlung auszusprechen. Oftmals fußt der individuelle Bedarf ja nicht auf rein medizinisch nachvollziehbaren Gründen, daher bleibt ein persönliches Gespräch wesentlicher Bestandteil des Angebots. Außerdem dienen die Antworten maßgeblich der Statistik und helfen uns zum Beispiel festzustellen, welche Zielgruppen wir erreichen.

Was denkst Du persönlich: Wie kann ein Fragebogen den Kontakt zwischen Patient*in-Ärzt*in bzw. Klient*in-Berater*in ersetzen?

Gerade in unserem Arbeitsbereich sollte es nicht darum gehen, Möglichkeiten ausfindig zu machen, das Beratungsgespräch durch andere Medien zu ersetzen. In der Beratung ist der Fragebogen bestenfalls eine Abkürzung und elegante Lösung, frühzeitig wichtige Informationen wie geschlechtliche Identität oder Anzahl der Sexualpartner*innen einsehen zu können. So lässt sich ohne Umschweife auf das zu sprechen kommen, was unsere Besucher*innen wirklich beschäftigt und motiviert, das Angebot überhaupt zu nutzen.

Wie bekomme ich mein Ergebnis? Geht das auch digital?

Alle Ergebnisse lassen sich über das eigene Profil einsehen und werden von uns eingetragen, sobald sie vorliegen. Wer sich vor dem Gedanken einer digitalen Mitteilung sträubt und die persönliche Kommunikation bevorzugt, kann selbstverständlich auf die telefonische oder Face-to-Face-Mitteilung zurückgreifen.

Christopher Tocha

Und der Datenschutz? Welche Daten von mir braucht ihr für das gesamte Prozedere?

Es war von Anfang an das Ziel, ein System zu kreieren, das keinerlei Auskunft zu personenbezogenen Daten voraussetzt. Wenn Menschen sich dazu entscheiden, mit uns per E-Mail in Kontakt zu treten, können und wollen wir das natürlich nicht verhindern. Grundsätzlich ist es aber möglich, sich vollkommen ohne Preisgabe persönlicher Informationen durch den Prozess zu bewegen.

Wo stehen die Server?

Für das Webhosting haben wir ein Unternehmen mit Hauptsitz in Köln gewählt. Die Rechenzentren befinden sich unter anderem in Köln und Straßburg.

Vergrößert das Euren Klient*innenkreis? Bzw. kommen schon jetzt mehr Klient*innen zu Euch in den Checkpoint?

Was wir nach den ersten Wochen definitiv beobachten, ist die deutlich mehrheitliche Nutzung der digitalen Terminbuchung. Aktuell sind wir eigentlich jeden Tag komplett ausgebucht. Im Vergleich zum vergangenen Halbjahr konnten wir dadurch unsere durchschnittlichen Besuchszahlen bereits erhöhen.

Wie kommen Eure Mitarbeitenden mit dem neuen Tool zurecht?

Wir haben viel Energie in die Vorbereitung und Schulung aller Mitarbeitenden der verschiedenen Bereiche gesteckt und uns dafür eine vierwöchige Pause erlaubt – zumal die Digitalisierung nicht nur die Berater*innen, sondern auch das ärztliche und ehrenamtliche Personal betrifft. Eine solche Veränderung erfordert von allen Beteiligten einiges an Lernbereitschaft. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass sich alle gut zurechtfinden und nur noch selten neue Fragen auftauchen. 

Wie war die Umstellung für Euch?

Extrem spannend, zeitweise nervenaufreibend und vor allem ungewiss. Uns war bewusst, dass wir mit dem Antrag etwas in Gang setzen würden, was die Organisation des Angebots komplett umkrempelt und auch Potential gehabt hätte, nach hinten loszugehen. Umso erleichterter bin ich, dass alles gut funktioniert und wir das Potential der Digitalisierung konstruktiv nutzen.

Wie viel Kraft und Leistung musstest du aufbringen, vom ersten Konzept bis heute?

Für den Durchführungszeitraum wurde mein Stellenvolumen entsprechend erhöht, um der Aufgabe zeitlich gerecht zu werden. Die aufzubringende Kraft verteilte sich aber (wenig überraschend) nicht gleichmäßig, sondern auf mehrere Arbeitsspitzen. Phasenweise verlangte die Umsetzung mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit. Besonders die letzten Monate gab es jedoch viel zu tun.

Würdet ihr das ganze Prozedere einem anderen Checkpoint raten? Würdet ihr euer Konzept auch an andere Checkpoints weitergeben?

Das kommt ein bisschen drauf an. Mit den nötigen Ressourcen und einem soliden Konzept kann das eigene Angebot sicherlich in eine zeitgemäße und moderne Richtung bewegt werden, von der Besucher*innen und Personal profitieren. Gleichzeitig halte ich die Installation einer digitalen Lösung nicht für notwendig, um gute Arbeit abzuliefern. Unser vorheriges Prozedere hat trotz – oder gerade wegen – des Einsatzes von Papier und Stift einen gewissen Charme versprüht, den viele Besucher*innen zu schätzen wussten.

Die Weitergabe der Anwendung an interessierte Einrichtungen ist definitiv eine Idee, mit der wir uns beschäftigen. Gleichzeitig gibt es einige Dinge zu beachten, da das System speziell nach unseren Vorstellungen angefertigt wurde und gegebenenfalls angepasst werden müsste. Wer dazu ins Gespräch gehen möchte, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

Was war denn für dich eine unangenehme Überraschung? Oder welches Detail hattest du vorher überhaupt nicht im Blick?

Für mich war die Betreuung eines solchen Projekts und die Zusammenarbeit mit einer Entwicklungsagentur komplettes Neuland. Mittlerweile betrachte ich auch die schwierigeren Phasen als Lehrstunde. Wenn sich zwei so unterschiedliche Branchen wie IT und Pädagogik treffen, sind die Gedanken bezüglich einzelner Umsetzungsschritte nicht immer deckungsgleich. Das System betreffend gab es glücklicherweise bislang keine unangenehmen Überraschungen, die wir vorher nicht bedacht haben.

Geht es nun weiter? Ist schon ein Nachfolgeprojekt geplant?

Wir werden die kommenden Monate weitere Erfahrungswerte sammeln und dann beleuchten, an welchen Stellen Anpassungen und weitere Entwicklungen Sinn ergeben. Im Prozess sind bereits Dinge formuliert worden, die wir für kommende Updates in den Blick nehmen könnten. Konkrete Pläne oder gar ein neues Projekt stehen momentan nicht in den Startlöchern. Eine kurze Verschnaufpause darf sein, denke ich.

Herzlichen Dank für die Antworten, Christopher.

Klaus Purkart

Weiterführende Links

Hier geht’s zum Checkpoint Köln mit dem Buchungstool: https://www.aidshilfe-koeln.de/hiv_sti_schnelltest/

Hier könnt ihr mit den Mitarbeitenden der Aidshilfe Köln bzw. dem Checkpoint Kontakt aufnehmen: https://www.aidshilfe-koeln.de/ueber-uns/mitarbeiter_innen/